Die Jugend setzt ein Zeichen
Rund 600 Personen setzten beim Solidaritätsmarsch gegen Schliesszeit 02:00 Uhr ein Zeichen
Bericht der Solothurner Zeitung vom Freitag, 09.09.2011:
600 Menschen setzten sich gestern Abend in Bewegung. Sie marschierten zusammen aus Solidarität gegen die generelle Schliessungszeit 2 Uhr durch die Solothurner Altstadt. Gewünscht ist eine liberalere Praxis der Nachtöffnungszeiten
«Nei, nei, am zwöi göh mir nid hei» – Ein Sprechchor aus rund 600 Kehlen machte gestern Abend deutlich, was Solothurns Jugend bewegt. Via Facebook und Mundpropaganda war zum Solidaritätsmarsch aufgerufen worden. Stein des Anstosses: eine mögliche Schliessungszeit von Nachtlokalen um 2 Uhr, die viele Probleme mit sich bringen könnte, da sie die meisten Partys an ihrem Höhepunkt abwürgt. Vom Stadtpräsidium wollen die Organisatoren vor allem eine Frage beantwortet haben: «Wer hat an der Uhr gedreht?» Wer also hat das Sagen in Sachen Öffnungszeiten, wenn doch gerade eine Ausweitung der Öffnungszeiten bis um vier oder fünf Uhr in der Bevölkerung eine breite Unterstützung fände.
Via Facebook angemeldet hatten sich 400 Personen, und es sind dann einige mehr geworden, die sich – bewaffnet mit Transparenten und einer einfachen Absicht – dem Strom an Jungen und Junggebliebenen durch die Altstadt anschlossen. Entsprechend zusätzliche Aufmerksamkeit erreichte der Anlass nicht zuletzt, da gleichzeitig der Abendverkauf Passanten in die Stadt lockte.
Friedliche Stimmung
Zwar nicht ausdrücklich im Zentrum stand die gerichtlich verordnete Schliessungszeit, die seit dieser Saison fürs Kofmehl gilt. Denn der Protest ist auch all jenen Kulturlokalen gewidmet, denen die Zwei-Uhr-Spassbremse drohen könnte. Dennoch schien gerade das Beispiel der Kulturfabrik, wo um zwei die Lichter aus- oder besser: angehen, einige für den Anlass aufgerüttelt zu haben. So auch Stephan Schneider, 16: «Wenn ich um elf Uhr beim Kofmehl eintreffe und um zwei wieder gehen muss, lohnt sich das ja kaum.» Für die gleichaltrige Michèle Scheidegger zeigt sich hier auch ein verändertes Ausgangsverhalten: «Die Jugend geht heute später in den Ausgang. Und wenn um zwei alle auf einmal raus geschickt werden, könnten einige schon aggressiv werden.»
Demgegenüber zeichnete sich der Solidaritätsmarsch selbst durch eine friedliche Stimmung aus. Dies bestätigt auch Walter Lüdi von der Stadtpolizei, der bis zur Auflösung der Aktion keine Zwischenfällen zu vermelden hatte. Vor allem wand er den Organisatoren für die gute Kommunikation ein Kränzchen.
Die Zähne zeigte der Menschenzug indes nur auf subtile Weise: Allen voran verlieh ein Grabstein aus Karton «R.I.P. Nightlife» dem Anlass einen sarkastischen Anstrich – hier wird das Nachtleben zu Grabe getragen. Symbolik lag allgemein hoch im Kurs: Das Konterfei ihres Hauptadressaten, Stadtpräsident Kurt Fluri, wurde beispielsweise mit einer Schlafmütze ausgestattet. Und die Teilnehmer wurden mit 300 Wanduhren ausgerüstet, die alle auf zwei Uhr stehen geblieben sind.
Bundesgesetz verordnet Nachtruhe
Ziel des Marsches war der Zeughausplatz, wo wunschgemäss Kurt Fluri selbst die 300 stehen gebliebenen Uhren und die Botschaft der Menge hätte entgegennehmen sollen. Offenbar befand sich Fluri gestern aber aus Termingründen ausserhalb Solothurns. An seiner Statt kam Stadtschreiber Hansjörg Boll. Zur Frage, wer an der Uhr gedreht habe, lieferte er eine Vorabantwort des Stadtpräsidiums: «Die Stadt kann selbst nicht nach Gutdünken entscheiden, ob das Anliegen der feiernden Gemeinde oder der Anwohner höher zu gewichten sei.» Nicht zuletzt wies er auf ein Bundesgesetz hin, das die Nachtruhe verordnet. Boll versprach aber eine genauere Antwort, die nächsten Tagen folgen soll.
«Als ich nach Solothurn kam, wurde mir gesagt, dies sei eine Kulturstadt», erinnerte sich Dennis Drews, Mitinitiant des Anlasses. Nur habe er davon noch viel gemerkt. Über den Anlass zeigte er sich zufrieden: «Der Aufwand hat sich gelohnt. Es hat sich gezeigt, dass sich die Jugendlichen für etwas einsetzen können.» Nun warte man die Reaktion von Fluri ab: «Unser Ziel ist einfach, dass sich die Stadt mit dem Thema beschäftigt.»
Der Bericht auf der Website der Solothurner Zeitung gibts hier!