“I love you Kofmehl”
Autor Reto Stampfli schrieb zum Jubiläum eine Liebeserklärung an die Kulturfabrik Kofmehl
Der Autor, Theologe, Gemeinderat, Lehrer, Philosoph, Rugby-Spieler, Ex-Gardist & Kolumnist Reto Stampfli widmete der Kulturfabrik Kofmehl im Rahmen von “20 Jahre Kleinkunst” folgende Liebeserklärung (zum 20 Jahre Kleinkunst-Bericht der Solothurner Zeitung gehts hier):
Was waren das für Zeiten, als es in Solothurn bereits ein Kofmehl gab,
das aber noch nicht das Kofmehl war.
Es war zwar auch schon eine Fabrik,
aber noch lange keine Kulturfabrik.
In jenen fernen, betrüblichen Tagen,
musste die Solothurner Jugend noch nach Biberist in den Ausgang,
oder nach Zuchwil oder Biel
oder einmal im Jahr gar mit dem Car nach Zürich – wunderbar…
Heute fragt man sich verständlicherweise,
Wo all die jungen Solothurner waren,
wenn sie sich nicht gerade in Biberist, Zuchwil, Biel oder Zürich herumtrieben?
Klar, ab und zu war auch schon damals etwas los:
In einer Disco namens „Barracuda“ konnte man Mädchen fischen,
in der Slow-Phase enorm eng tanzen und das 1×1 des Zungenküssens lernen
Wer Mut hatte, traute sich ins Loch,
dort war auch eine Art Disco
Wer noch mehr Mut hatte, versuchte die Drogen,
die dort angeboten wurden
wer Pech hatte, kam von ihnen nicht mehr los
Einige sassen im Chutz,
und sitzen wohl immer noch dort.
Ein paar Jugendliche trafen sich jeweils in der „Blume“
Tranken grossartig grosse Biere
Und lauschten heimlich den Gesprächen der Männern am Stammtisch
Deren Räubergeschichten,
öfter als erwartet, tatsächlich den Tatsachen entsprachen
Doch die hingen wohl zu Hause herum
und schauten „Teleboy“, „Am laufenden Band“ oder „Wetten Dass?“
und belästigten ihre Eltern mit Fragen wie:
„Warum ist eigentlich in Solothurn nichts los?“
oder: „Warum können wir nicht in eine Stadt ziehen, in der etwas los ist?“
Heute ist alles anders:
Der Teleboy schaukelt nicht mehr, Rudi Carrell ist tot und
„Wetten Dass?“ von der Mattscheibe verschwunden
Die Eltern sitzen samstags alleine vor ihren Flachbildschirmen
Und überlegen sich, was die Jugendlichen wohl für Fragen an sie hätten
Auch das Loch ist kein richtiges Loch mehr
Drogen gibt es zwar immer noch,
jetzt muss man jedoch bis zum Bahnhof laufen
die Blume ist leider verblüht
nur im Chutz sitzen sie immer noch –
jetzt meistens im Fumoir –
und warten auf bessere Zeiten
in denen man wieder überall rauchen kann
Und die „Barracuda“ heisst heute „Eleven“
die Musik hat sich verändert,
geküsst wird immer noch.
zum Glück ist aus der Fabrik eine Kulturfabrik geworden
und die Jungen müssen nur noch selten nach Biberist, Zuchwil, Biel oder Zürich fahren
und auch als die Fabrik rund um die Kulturfabrik abgerissen wurde
lebte die Kulturfabrik weiter,
auch am neuen Ort
sah es aus, wie im Kofmehl,
roch es, wie im Kofmehl
klang es, wie im Kofmehl,
und der Boden blieb klebrig.
Wäre es anders, dann wäre es nicht gut.
Du würdest mir fehlen,
I love you Kofmehl!