«02.00 Uhr. Sorry.» – Kulturfabrik Kofmehl
«02.00 Uhr. Sorry.»

«02.00 Uhr. Sorry.»

Der Bericht der Solothurner Zeitung zur Saisonstartpoardy in der Kulturfabrik Kofmehl

Bericht der Solothurner Zeitung vom 29.08.2011:

Die grosse Trauer um die letzte Stunde

Der erste Anlass mit der neuen Schliessung um zwei Uhr ist reibungslos abgelaufen.

Vor der Abendkasse in der Kulturfabrik Kofmehl klebt ein Zettel. Darauf steht «Saisonstartpoardy» und darunter: «Anlass-Ende: 02.00 Uhr. Sorry.» Das «Kofmehl» ist ein Ort, der stets im Wandel ist, sich weiterentwickelt und neuen Gegebenheiten anpasst. Das war schon immer so und ist heute wohl zutreffender denn je. Es gibt rasante Veränderungen, wie bei den Öffnungszeiten oder der Inneneinrichtung: letzte Saison so, diese Saison anders. Und es gibt langsame Veränderungen, die über die Jahre hinweg stattfinden. Dazu gehören etwa die Musik und das Publikum an den kofmehlianischen Partys. Wer vor zehn Jahren selbst an solchen Anlässen für die jüngsten unter den Kulturfabrik-Besuchern teilgenommen hat, mag sich heute fragen, wo die ganzen verrauchten Strickpullis, die Lederjacken und Nieten geblieben sind und wo all die Kapuzenjäcklein in Neonfarben, die weissen Hemden, Krawatten und Pailletten herkommen. Die Jungen, die heute an der «Saisonstartpoardy» einen draufmachen, sind anders als die klassische «Kofmehl»-Kundschaft von einst. Nicht besser, nicht schlechter, aber anders. Die Dreadlocks und Irokesen sind Gelfrisuren gewichen. Es wird nicht mehr herumgetanzt wie Rumpelstilzchen ums Feuer, dafür etwas mehr Springbreak-Atmosphäre versprüht. Gefeiert wird natürlich noch genauso ausgelassen wie früher. Und gleich geblieben ist auch, dass bei Klassikern von Queen, Red Hot Chili Peppers oder Rage Against The Machine herzhaft mitgegrölt wird.

Neues zur neuen Saison
Das sind freilich alles ganz subjektive Beobachtungen. Nicht subjektiv hingegen hat sich die grosse Halle verändert. Damit sind weniger die Aloha-Bar, Sonnenschirme und die künstlichen Palmen für die Party zum Saisonauftakt als der zusätzliche Balkon gemeint. Und dann ist da eben die Sache mit der Öffnungszeit, die auf zwei Uhr nachts heruntergeschraubt werden musste (wir berichteten). Ob der Nachtlärm im Quartier dadurch reduziert oder doch eher verschlimmert wird, ist die grosse Frage. Was die Jugendlichen davon halten eine andere, nicht minder wichtige. «Scheisse», lautet die Antwort der Mehrheit. Manche drücken ihre Meinung etwas elaborierter aus: «Bei längeren Öffnungszeiten würden die Menschen gestaffelter nach Hause gehen», sagt eine junge Frau. «Jetzt sind alle gleichzeitig auf der Strasse und müssen erst noch eine halbe Stunde auf den Nachtbus warten.» Ein anderer Besucher ergänzt: «Wenn es jetzt Ärger gibt, sind die Anwohner selbst schuld.» Dabei sind längst nicht alle Anwohner in einen Topf zu werfen. «Ich bin selbst auch Anwohnerin», bekennt eine Tanzende und findet: «Das ‹Kofmehl› sollte möglichst lange offenbleiben, etwa bis sechs Uhr. Um zwei Uhr gehen alle auf einmal raus, wandern rüber in die Stadt, etwa zur Piano-Bar, die noch offen hat, und machen dabei Lärm im Quartier.»

Nostalgisch, aber friedlich

Die unterschiedlichen Öffnungszeiten sieht auch Chrigu Stuber vom «Kofmehl» eher als Gefährdung der Nachtruhe (siehe Artikel links). Er steht in der grossen Halle und schaut etwas angespannt zu, wie um zwei Uhr eine Vielzahl von Helfern die verbleibenden Partygänger hinaus begleitet. Sie tragen schwarze T-Shirts mit der Aufschrift «Sorry». Es wird alles daran gesetzt, die Jugendlichen zu vertrösten und, wenn nötig, zu besänftigen. Denn die Enttäuschung über den Entscheid des Kantons ist gross. «Lasst uns im Quartier Krawall machen, damit die sehen, dass es so nicht geht!» lässt ein angetrunkener Gast vor der Tür seinen Frust aus. Doch solche Anstrengungen werden von den Kofmehl-Sicherheitsleuten unterbunden und von den meisten Besuchern ohnehin nicht ernst genommen. Man ist traurig, nostalgisch, aber friedlich. Und um 2.30 Uhr besteigt man scharenweise den Nachtbus, der früher um diese Zeit die zweitletzte Fahrt unternommen hat, heute aber die letzte.

Pipo Kofmehl: «Überrascht, wie reibungslos alles lief»
Chrigu Stuber, Programmchef der Kulturfabrik Kofmehl, ist erleichtert. Der erste  Anlass mit neuer Schliessungszeit ist friedlich vonstatten gegangen. «Man muss den Jugendlichen wirklich ein Kränzchen winden, sie haben super reagiert», sagt er. Zwar sei viel Unverständnis über den Entscheid des Kantons spürbar, aber die Leute seien eher sentimental, nicht aggressiv. «Das Schlimmste wäre, wenn unsere Gäste nach zwei Uhr in die nächste Kneipe weiterziehen und unterwegs Radau machen. Das würde natürlich auf uns zurückfallen», weiss Stuber. Das «Kofmehl»-Team hat sich aber sehr bemüht: Von 750 Gästen mussten um zwei Uhr noch 500 vor die Tür gestellt werden – daran haben sich viele Helfer beteiligt, mit den Jugendlichen gesprochen, erklärt und getröstet. Dabei hat man ruhige Musik laufen lassen, um die Stimmung langsam herunterzufahren. «Ausserdem wurde im Vorfeld viel informiert, die Leute waren vorbereitet, sind früher gekommen als sonst», erklärt Pipo Kofmehl und gibt zu: «Aber etwas überrascht darüber, wie reibungslos alles gelaufen ist, sind wir schon.» Und Stuber vermutet: «Wir hatten  wohl Glück, dass es so kalt war. Dann lungert man auch nicht lange auf der Strasse herum.» Sie sind sich beide einig: Der erste Anlass mit neuer Öffnungszeit ist gut gelaufen, aber wie sich das Ausgehverhalten bei den weitern Anlässen entwickelt, bleibt abzuwarten.

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